Familien zieht es weiter ins Umland
Ein Blick auf die Wanderungen innerhalb Deutschlands zeigt: Die grundlegenden Trends haben sich vor Jahren angedeutet. Während die Großstädte in der Binnenwanderung immer stärker verlieren, gewinnen die Landkreise und kleinen kreisfreien Städte in Deutschland immer stärker. Ein erneuter Wendepunkt könnte die Zuwanderung aufgrund des Kriegs in der Ukraine darstellen.
Durch die Corona-Pandemie galt der „Umzug ins Grüne“ plötzlich als der neue, wichtige Trend. Der Blick zurück auf die Wanderungsdaten 2020 und 2021 zeigt jedoch, dass Corona zwar auch als Trendverstärker gewirkt hat, die grundlegenden Veränderungen in den Wanderungstrends sich aber auch schon in den Jahren davor abgezeichnet hatten. Die Binnenwanderungssalden (Wanderungen innerhalb des Landes ohne Wanderungen aus Deutschland heraus bzw. aus dem Ausland) der kreisfreien Großstädte waren bereits vor 2020 durch die Zuwanderung junger Erwachsener und die gleichzeitig hohen Abwanderungsraten von Familien geprägt. Verließen aus den Altersklassen unter 18 Jahren und von 30 bis unter 50 Jahren im Saldo 2014 noch 98.000 Personen die kreisfreien Großstädte, waren es 2020 rund 151.000 und im Jahr 2021 schon 172.000. Auch ältere Personen verlassen zunehmend die Großstädte, wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau. Die Summe der Personen ab 50 Jahren, die im Saldo aus den Großstädten wegzogen, belief sich 2013 auf rund 15.000, 2021 aber bereits auf etwa 27.000.
Die Zuwanderung junger Erwachsener, insbesondere im Alter von 18 bis unter 25 Jahren, bleibt dabei die wichtigste Stütze der Binnenwanderung für die Großstädte. Zwischen 70.000 und 90.000 Personen wandern dort jährlich im Saldo zu. Auch während Corona sind die Zuwanderungsraten relativ stabil geblieben. Einen kleinen Einbruch gab es dagegen bei den Berufseinsteigern bis unter 30 Jahren während der Corona-Jahre. Unterm Strich war der Saldo aller Großstädte in dieser Altersklasse ausgeglichen.
Die Kehrseite der Medaille: Während die Großstädte in der Binnenwanderung immer stärker verlieren, gewinnen die Landkreise und kleinen kreisfreien Städte in Deutschland immer mehr. Die positive Bilanz zieht sich hierbei durch alle Kreistypen. Während die jungen Erwachsenen bis unter 30 Jahren im Saldo diese Regionen bei leicht abnehmender Tendenz weiter verlassen, wächst der Zuzug von Personen im Familienalter und von älteren Personen in den ländlichen Kreisen. Dass viele Großstädte noch eine ausgeglichene Bevölkerungsbilanz oder leichte Bevölkerungsrückgänge aufweisen, liegt vor allem an der Auslandswanderung und zum Teil auch an gestiegenen Geburtenraten in den letzten Jahren. Die Auslandswanderung stellt damit neben den jungen Erwachsenen aus der Binnenwanderung die zweite Stütze für die Bevölkerungsentwicklung der Städte dar. Bricht diese ein, wie 2020 durch Corona, dann wachsen viele Städte unterm Strich nicht mehr. Aber auch die ländlichen Regionen profitieren weiterhin von der Auslandswanderung.
Damit setzt sich der Schrumpfungstrend der Großstädte der vergangenen Jahre fort und die neuen Zahlen für das Jahr 2021 bestätigen die sich schon länger abzeichnende Trendumkehr. Während vor allem ländliche Regionen höhere Wanderungsgewinne verzeichnen, verstärkt sich die Abnahme der Zuwanderung in die Kernstädte. Nicht vergessen darf man aber, dass hier zusammengefasste Werte für Kreistypen dargestellt werden. Natürlich gibt es auch innerhalb der Kreistypen Gewinner und Verlierer.
Hohes Preisniveau in den Metropolen
Die großen Städte in Deutschland zeigten 2020 und 2021 erstmals seit langer Zeit Schrumpfungstendenzen. Im Jahr 2021 verzeichneten die meisten Metropolen erneut einen negativen Wanderungssaldo. Das zeigt die im Oktober veröffentlichte Analyse für die Top-7-Städte . Im Jahr 2020 war Hamburg die einzige Stadt der Top-7-Gruppe, die einen positiven Wanderungssaldo vorweisen konnte, im Folgejahr lag auch hier das Wanderungssaldo leicht im Minus.
Ein Hauptgrund dafür ist das fehlende Angebot von Wohnungen und das anhaltend hohe Preisniveau für Wohnraum in den Top-7-Städten. Bisher war die Zuwanderung aus dem Ausland eine tragende Säule des Städtewachstums. Seit dem Höhepunkt im Jahr 2015 und 2016 zeigt die Auslandszuwanderung stark nachlassende Tendenzen. Jedoch dürfte hier 2022 einen erneuten Trendbruch bedeuten, da durch den Krieg in der Ukraine bereits rund eine Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind. Was dies für die Bevölkerungsentwicklung und die Wohnungsnachfrage bedeutet, wird empirica regio in den kommenden Wochen mit neuen Prognosedaten aufzeigen.
Herausforderungen für die Umlandgemeinden
Insbesondere die Abwanderung von Familien muss den Städten Sorgen bereiten, da diese finanziell meist gut aufgestellt sind und eine Stadt beleben. Klar ist: Trotz der Chancen für die Umlandgemeinden durch den Zuzug ergeben sich auch neue Herausforderungen. Ein höheres Verkehrsaufkommen, ein steigender Bedarf an Bauland sowie wachsende Anforderungen an die Nah- und Energieversorgung müssen zukünftig stärker berücksichtigt werden.