Auslandszuwanderung trotz Rückgang weiterhin auf hohem Niveau
Die Zuwanderung aus dem Ausland nach Deutschland bleibt auch im Jahr 2023 auf einem hohen Niveau, auch wenn sie im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgeht. Eine aktuelle Analyse des Wirtschafts- und Immobiliendatenanbieters empirica regio GmbH zeigt, dass Deutschland im Jahr 2023 eine Nettozuwanderung von rund 660.000 Personen verzeichnete. Nach knapp 1,5 Millionen Nettozuwanderern im Jahr 2022 und gut 1,1 Millionen Zuwanderern 2015 ist das immer noch der dritthöchste Wert seit 1992. Ukrainerinnen und Ukrainer stellen mit gut 121.000 Nettozuwanderern die größte Gruppe unter den Zuwanderern.
München: Eine Metropole verliert - Einzige unter den Top 7 mit negativem Wanderungssaldo
Die bayerische Landeshauptstadt München weist 2023 als einzige der Top-7-Städte einen negativen Wanderungssaldo auf. Während München im Jahr 2022 noch einen positiven Saldo von über 21.000 Zuzügen verzeichnen konnte, sind im Jahr 2023 rund 5.155 Personen mehr fortgezogen als zugezogen. Besonders drastisch ist der Rückgang der Außenwanderung: 2022 zogen noch 36.804 Menschen nach München, 2023 betrug der Saldo nur noch 9.623. Gleichzeitig bleibt die negative Binnenwanderung hoch - 14.778 Menschen wanderten im Saldo 2023 innerhalb Deutschlands aus München ab. Diese Entwicklungen führen zu einem leichten Bevölkerungsrückgang in der Metropole, so die Auswertung von empirica regio.
„Großstädte wie München profitieren bei der Binnenwanderung vom Zuzug junger Erwachsener, allerdings ist der Wanderungssaldo seit einigen Jahren rückläufig. Die Zuwanderung von Berufseinsteigern hat abgenommen und fällt als Wachstumsmotor teilweise aus. Die Zahl junger Erwachsener, also potenzieller Zuwanderer, ist im ländlichen Raum durch kleinere Geburtenjahrgänge und den Wegzug der Elterngeneration in die Städte zurückgegangen. Gleichzeitig erschweren Knappheit und hohe Preise den Zugang junger Menschen zum Wohnungsmarkt“, ordnet Jan Grade, Geschäftsführer von empirica regio, die Situation ein. Gleichzeitig sind immer mehr Menschen bereit, längere Pendelzeiten in die Städte in Kauf zu nehmen. Auch Landkreise in einer Entfernung von einer Stunde und mehr profitieren von der Binnenwanderung aus den Großstädten. Das trifft vor allem auf München zu, da sich hier die Suburbanisierung verstärkt auch in den zweiten, teilweise sogar dritten Ring der umliegenden Landkreise auswirkt.
Berlin und Hamburg: Starke Zuwanderung trotz deutlicher Rückgänge
Berlin verzeichnete im Jahr 2022 eine Nettozuwanderung von 84.584 Personen, was gut 2,3 Prozent der Gesamtbevölkerung Berlins entsprach und vor allem auf die durch den Ukrainekrieg ausgelösten Fluchtbewegungen zurückzuführen war. Auch im Jahr 2023 blieb die Zuwanderung hoch, wenn auch mit 32.765 Personen deutlich geringer als im Vorjahr. Insgesamt bleibt die Hauptstadt einer der größten Zuwanderungsmagneten in Deutschland. Ohne die weiterhin starke Außenwanderung von 49.550 Personen hätte Berlin allerdings aufgrund der Binnenabwanderung von 16.785 Personen sogar einen negativen Wanderungssaldo zu verzeichnen. Der Großteil dieses Saldos, rund 15.500 Personen, geht dabei in unmittelbar angrenzende Landkreise oder nach Potsdam.
Hamburg bleibt auch im Jahr 2023 mit einem Wanderungssaldo von 19.887 Personen attraktiv für Zuwanderer, wenngleich auch hier ein drastischer Rückgang gegenüber dem besonders zuwanderungsstarken Jahr 2022 mit 39.482 Personen zu verzeichnen ist. Einem deutlich positiven Außenwanderungssaldo von 22.103 Personen steht jedoch ein leicht negativer Binnenwanderungssaldo von -2.216 Personen gegenüber, so die Analyse von empirica regio. Differenziert man hier aber zwischen Umland und übrigem Bundesgebiet, dann zeigt sich aber, dass aus dem Bundesgebiet ein leichter Wanderungsgewinn von 5.234 Personen erzielt wird, jedoch das negative Umlandsaldo mit 7.450 leicht überwiegt.
Köln, Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart stabilisieren Binnenwanderung
Nach einem leichten Zuwanderungsüberschuss von 11.943 Personen im Jahr 2022 gleicht sich der Zuzug nach Köln wieder an die Abwanderung an. Insgesamt sind im Jahr 2023 4.097 Personen mehr nach Köln gezogen als die Stadt verlassen haben. Auch der Zuzug aus dem Ausland hat sich 2023 im Vergleich zum Vorjahr deutlich abgeschwächt. Betrug der Außenwanderungssaldo im Jahr 2022 noch knapp 20.000 Personen, so lag er im Jahr 2023 bei 11.850 Personen. Bei der Binnenwanderung zeigt sich, dass mit einem negativen Saldo von 7.753 Fortzügen die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr stabil bleiben. Dabei bleibt die Bilanz mit dem Umland mit einem negativen Saldo von 6.159 Personen ähnlich hoch wie mit dem übrigen Bundesgebiet, in das 2023 im Saldo 1.594 Personen fortgezogen sind.
Während im Jahr 2022 noch 11.837 Personen netto nach Frankfurt zogen, halten sich Zu- und Fortzüge im Jahr 2023 nahezu die Waage. Lediglich 1.032 Personen zogen insgesamt mehr in die Mainmetropole, als Menschen fortzogen. Für den dennoch leichten Bevölkerungszuwachs durch Zuzüge ist auch hier die Außenwanderung verantwortlich, die im Jahr 2023 mit einem Saldo von 2.927 Personen deutlich geringer ausfällt als im Jahr 2022 mit einem Saldo von 15.126 Personen. In der Binnenwanderung können 2023 Verluste in das Umland von 5.218 Personen nur teilweise durch Zuwanderung aus dem übrigen Bundesgebiet von 3.323 Personen ausgeglichen werden.
Wie in den meisten Großstädten ist der positive Wanderungssaldo in Düsseldorf vor allem auf die starken Auslandszuzüge der letzten beiden Jahre zurückzuführen, wenngleich auch hier die Zuzüge nach 10.320 Personen im Jahr 2022 mit 3.262 Personen im Jahr 2023 deutlich zurückgehen. Treiber dieser Entwicklung ist vor allem der Rückgang der Auslandszuwanderung von 12.520 Personen im Jahr 2022 auf 3.902 Personen im Jahr 2023. Die Binnenwanderung fällt mit 640 Fortzügen im Saldo nur leicht negativ aus, da Fortzüge in das Umland durch Zuzüge aus dem übrigen Bundesgebiet weitestgehend ausgeglichen werden können.
Stuttgart verzeichnete zwar einen leichten Nettozuzug von 1.302 Personen im Jahr 2023, im Vergleich zu den 6.919 Nettozuzügen im Jahr 2022 ist dies jedoch ein drastischer Rückgang von gut 81 Prozent. Nicht ganz so stark fällt der Rückgang der Außenwanderung aus. Im Jahr 2023 zogen netto 4.383 Personen aus dem Ausland nach Stuttgart, im Jahr 2022 waren es noch 12.112 Personen. Der negative Binnenwanderungssaldo erholt sich nach einem Zwischenhoch von 7.664 Netto-Binnenwanderungen langsam auf nur noch 3.081 Netto-Binnenwanderungen im Jahr 2023. Die Fortzüge ins Umland bleiben dabei relativ hoch mit im Saldo 3.984 Personen, erstmals seit 2019 könnten aber wieder Wanderungsgewinne in Höhe von 903 Personen aus dem übrigen Bundesgebiet erzielt werden.
„Die meisten der Top-7-Städte zeigen, dass die Auslandszuwanderung ein wesentlicher Motor für das Städtewachstum ist. Die Binnenwanderung wirkt dagegen zunehmend in das Umland und kann nicht in allen der sieben Städte durch Zuzüge aus dem übrigen Bundesgebiet ausgeglichen werden. Diese Verschiebung in das Umland geht auf ein knappes Angebot und hohe Kosten in den Zentren zurück“, so Grade.
Wo die Zuwanderung besonders stark ist: Top-Regionen 2023
Neben Berlin und Hamburg verzeichnete die Stadt Bremen im Jahr 2023 eine besonders starke Nettozuwanderung von 8.943 Personen, nach 7.781 Zuzügen im Jahr 2022. In die Region Hannover zogen 2023 8.760 Menschen, nach 20.929 im Vorjahr. Dresden konnte immerhin 4.892 Zuzüge gegenüber 9.572 Zuzügen im 2022 verbuchen.
München, Landkreis Heidekreis und Stadt Bonn mit der höchsten Abwanderung
Im Jahr 2023 gab es jedoch auch zahlreiche Regionen, die von einer Nettoabwanderung betroffen waren. München, das im Jahr 2022 einen negativen Wanderungssaldo von 21.025 Personen hatte, reduzierte diesen immerhin auf 5.155 Personen im Jahr 2023. Auch der Landkreis Heidekreis sieht sich einer starken Abwanderung ausgesetzt, die jedoch von 3.454 Personen im Jahr 2022 auf 1.299 Personen im Jahr 2023 reduziert werden konnte. In Bonn sank die Abwanderung von 4.879 Personen im Jahr 2022 auf 122 Personen im Jahr 2023. Ähnliche Tendenzen zeigten sich in Jena, wo die Abwanderung von 2.727 Personen im Jahr 2022 auf 57 Personen im Jahr 2023 sank, sowie in Bremerhaven, das einen Rückgang von 1.127 Personen im Jahr 2022 auf 21 Personen im Jahr 2023 verzeichnete.
Zwar wiesen 85 Landkreise und kreisfreie Städte einen negativen Bevölkerungssaldo auf, dieser resultierte jedoch aus einer negativen natürlichen Bevölkerungsentwicklung (Geburten minus Sterbefälle), die nicht allein durch Wanderungen ausgeglichen werden konnte. „Die hohe Außenzuwanderung hat dazu geführt, dass es 2023 nur 5 Kreise und kreisfreie Städte gibt, die bezogen auf das Wanderungssaldo schrumpfen“, sagt Jan Grade.
Außenwanderung: Berlin und Gießen mit der höchsten Außenzuwanderung
Die stärkste Nettozuwanderung aus dem Ausland verbuchte 2023 erneut Berlin. Dahinter folgt der Landkreis Gießen mit 24.797 Personen, was allerdings einen Rückgang gegenüber den 30.350 Personen im Jahr 2022 bedeutet. Heidelberg und Essen erleben ebenfalls eine starke Außenzuwanderung, wobei Heidelberg einen leichten Anstieg auf 17.606 Personen verzeichnete, während Essen im Jahr 2023 einen leichten Rückgang auf 13.358 Personen gegenüber 15.561 im Jahr 2022 notiert.
„Diese Zahlen zeigen, dass viele Regionen weiterhin attraktiv für internationale Zuwanderer sind. Die Zuwanderung war 2023 und vor allem 2022 aber auch stark durch Geflüchtete aus der Ukraine geprägt Das hat sich bundesweit auf alle Landkreise und kreisfreien Städte ausgewirkt“, betont Jan Grade.
Stärkste Binnenzuwanderung im Kreis Wesel und im Main-Kinzig-Kreis
Die stärkste Binnenzuwanderung in Deutschland verzeichnete im Jahr 2023 der Kreis Wesel mit einem Plus von 3.805 Personen gegenüber 3.486 Personen im Vorjahr. Der Main-Kinzig-Kreis folgte mit 3.376 Personen, während der Landkreis Leipzig mit Blick auf die Daten von empirica regio einen deutlichen Anstieg von 2.135 Personen im Jahr 2022 auf 2.972 Personen im Jahr 2023 verzeichnete.
Binnenabwanderung: Gießen und Heidelberg besonders betroffen
Vor allem die Binnenabwanderung machte im Jahr 2023 einigen Regionen zu schaffen. Spitzenreiter war der Landkreis Gießen mit einem negativen Saldo von 22.342 Personen, was jedoch immerhin einen leichten Aufwärtstrend gegenüber den 24.053 Nettoabwanderungen des Vorjahres darstellt. Heidelberg blickt ebenfalls auf eine deutliche Abwanderung von 16.895 Personen nach 14.532 Personen im Vorjahr. Auch Berlin und München verzeichneten deutliche innerdeutsche Abwanderungen, wobei München die Binnenwanderung mit einem negativen Soll von 15.779 Personen im Jahr 2022 sich mit 14.778 Personen im Jahr 2023 ein wenig stabilisieren konnte. Besonders auffällig war die Entwicklung in Mönchengladbach, wo der negative Wanderungssaldo von 3.943 Personen im Jahr 2022 auf 11.771 Personen im Jahr 2023 anstieg. Bei diesen Spitzenwerten sollte jedoch bedacht werden, dass hier Flüchtlingsunterkünfte zu Verzerrungen in einzelnen Jahren führen können. Wichtig ist darum, bei der Binnenwanderung die langfristigen Trends zu beobachten.
„Die Binnenabwanderung bleibt für viele Regionen eine der größten Herausforderungen. Besonders betroffen sind Städte und Landkreise im ländlichen Raum oder Kernstädte mit knappem Wohnraum und hohen Preisen. Derzeit profitieren hiervon die Umlandkreise der Metropolen am stärksten“, so Jan Grade.